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"Das ist eine Katastrophe“: Franziska Stier über Missstände im Schweizer Asylsystem

Im Rahmen der Dokumentationsvorbereitungen der Initiative Stop N Delay sprach das PangeaKolektif mit Franziska Stier, Generalsekretärin der Basels Starke Alternative (BASTA). Stier äußerte scharfe Kritik am Schweizer Asylsystem – von den Lagerbedingungen und der Gesundheitsversorgung bis hin zur Zusammenarbeit mit Frontex und der Einschränkung rechtlicher Unterstützung.

"Das ist eine Katastrophe“

Franziska Stier wies insbesondere auf die Kooperation der Schweiz mit Frontex hin:

"Wir kennen die Situation – und das ist eine Katastrophe. Auch die Schweiz beteiligt sich an der Finanzierung von Frontex, und wir wissen alle, dass Frontex menschenrechtswidrig agiert – es gibt illegale Pushbacks.“

Laut Stier zeigen geleakte Frontex-Dokumente, dass die Schweiz direkt an diesen Menschenrechtsverletzungen beteiligt ist.

"Reformen“ bedeuten Rechtsabbau

Die sogenannten Reformen im Asylsystem führten unter dem Vorwand beschleunigter Verfahren zu massiven Einschnitten in die Rechte der Geflüchteten. Besonders die Einschränkung des Zugangs zu rechtlicher Unterstützung sei gravierend, so Stier:

 

"Sie haben nicht mehr das Recht, ihre Anwält:innen frei zu wählen. Dadurch laufen viele Verfahren über Hilfsorganisationen, die mit dieser Last oft überfordert sind und die Interessen der Betroffenen nicht vollständig und unabhängig vertreten können.“

 

Da viele dieser Organisationen direkt vom Staatssekretariat für Migration (SEM) oder anderen staatlichen Stellen finanziert würden, sei eine unabhängige Rechtsvertretung kaum noch möglich.

“Menschen sind allein, ohne Unterstützung, extrem isoliert”

Stier beschrieb die Lagerbedingungen in Basel unter dem Begriff „Isolation“ und kritisierte, dass die Asylzentren bewusst weit außerhalb des städtischen Lebens angesiedelt sind:

“Sie befinden sich direkt an der Grenze zu Deutschland, aber dürfen diese nicht überqueren. Sie sind am Stadtrand untergebracht, wo kaum Kontakt zur lokalen Bevölkerung möglich ist. Sie sind also extrem isoliert.“

Ein weiteres gravierendes Problem sei laut Stier die mangelnde Aufmerksamkeit gegenüber queeren Geflüchteten:

“Geschlechtliche Identität und queere Lebensrealitäten werden kaum berücksichtigt. Viele Betroffene erleben die Gewalt und Unterdrückung, vor der sie geflohen sind, auch im Asylsystem erneut.“

Gesundheitsversorgung: "Ein Geflüchteter starb, weil kein Krankenwagen kam“

Stier schilderte drastische Beispiele für die mangelhafte medizinische Versorgung und nannte einen Fall aus Bern:

“Herzinfarktsymptome wurden ignoriert, obwohl sein Zustand sehr schlecht war, wurde kein Krankenwagen gerufen – er starb, bevor er ins Krankenhaus gebracht werden konnte.“

In einem anderen Fall sei ein Geflüchteter, der 30 Jahre im Gefängnis verbracht hatte, in einem fensterlosen Kellerraum untergebracht worden. Aufgrund schwerer Panikattacken habe er draußen schlafen müssen.

“Das Asylsystem ist ein Instrument von Kontrolle und Repression“


Stier bezeichnete das Schweizer Asylsystem nicht nur als dysfunktional, sondern auch als repressive:

“Was dort passiert, die Bedingungen, die dort geschaffen wurden, dienen als Instrumente von Kontrolle und Repression – das kann nicht einmal ein liberaler Bourgeois verteidigen. Um dieses System zu kritisieren, muss man kein Sozialist sein – es reicht, Demokrat oder Humanist zu sein.“

 

“Wir sind eine kantonale Partei mit gebundenen Händen – aber wir werden nicht schweigen“


Obwohl BASTA nur auf kantonaler Ebene aktiv ist, während die Asylpolitik national geregelt wird, ruft Stier weiterhin zum Widerstand auf:


“Alle progressiven Initiativen zur Verbesserung der Asylbedingungen werden sofort abgelehnt. Deshalb ist es so wichtig, die Missstände sichtbar zu machen, die Menschen aus dem Asylsystem herauszuholen, ihre Geschichten erzählen zu lassen, alles zu dokumentieren und einem breiten Publikum zugänglich zu machen.“

 

Fotos: Archiv von Franziska Stier

Interview PANGEAKOLEKTİF / PRESSE