Die Schweiz will den Journalisten Mehmet Murat Yıldırım abschieben
Der Journalist Mehmet Murat Yıldırım, der in der Türkei jahrelang tätig war und wegen seiner Berichterstattung über Menschenrechtsverletzungen strafrechtlich verfolgt wurde, hat in der Schweiz Asyl beantragt. Doch das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat seinen Antrag abgelehnt. Yıldırım droht nun die Abschiebung.
Wie viele andere Journalist*innen, die vor der Unterdrückung der Pressefreiheit fliehen mussten, suchte Yıldırım Schutz in der Schweiz und ließ sich in Bern nieder. Das SEM lehnte seinen Asylantrag jedoch kürzlich ab.
„Nicht bekannt genug, gesundheitlich arbeitsfähig“
In der Ablehnung wurde argumentiert, Yıldırım sei „nicht bekannt genug“ in der Öffentlichkeit. Die in der Türkei gegen ihn eingeleiteten Ermittlungen seien nicht politisch genug und nicht von einem Ausmaß, das unter das Rückführungsverbot falle. Hausdurchsuchungen, Verhaftungsbefehle und Diffamierungen in sozialen Medien wurden vom SEM als „individuelle Bedrohung“ eingestuft.
Obwohl er 2016 bei einer Razzia in seinem Haus in Kuşadası festgenommen und aufgrund politischer Berichterstattung unter Druck gesetzt wurde, erkannte das SEM dies nicht als systematische Verfolgung an und sah somit keine Grundlage für Asyl.
Beziehungen zur HDP „nicht ausreichend“
Yıldırıms frühere Kontakte zur Demokratischen Partei der Völker (HDP) sowie ein Empfehlungsschreiben des lokalen Parteiorganes wurden in der Entscheidung ebenfalls nicht als Asylgrund anerkannt. Das SEM erklärte, es bestehe keine „kontinuierliche und auffällige politische Verbindung“ zur HDP.
Zudem wurden seine journalistischen Beiträge über kurdische Themen und Operationen gegen die kurdische Bewegung als mögliche „Verherrlichung bewaffneter Gruppen“ interpretiert und als gezielt provokativ eingestuft.
Ein behinderter Journalist – ignoriert
Yıldırım lebt mit einer angeborenen Behinderung: Er hat 3 % Sehverlust, eine Kyphose (Wirbelsäulenverkrümmung), 18 eingesetzte Titanplatten im Rücken und leidet an chronischen Erkrankungen. Dennoch setzt er seine journalistische Arbeit fort und schrieb in der Schweiz über Flüchtlinge, Antikriegsthemen und kulturellen Widerstand. Das SEM stellte jedoch fest, dass seine gesundheitliche Situation ihm eine Rückkehr in die Türkei nicht unmöglich mache.
„Wir haben uns in der Türkei nicht gebeugt – und tun es hier auch nicht“
Nach dem Entscheid sagte Yıldırım, dieser richte sich nicht nur gegen ihn, sondern sende ein politisches Signal gegen alle politischen Geflüchteten:
„Dies ist eine Einschüchterungspolitik. Wir haben uns dem Unrecht in der Türkei nicht gebeugt und werden es auch hier nicht tun. Unser Kampf geht weiter. Ich danke allen, die sich solidarisch zeigen. Ich hoffe, dass das Bundesgericht gerecht entscheidet und mir das Aufenthaltsrecht zuspricht.“
Appell an Presse- und Menschenrechtsorganisationen
Bislang haben sich keine nationalen oder internationalen Pressefreiheitsorganisationen offiziell zu Yıldırıms Fall geäußert. Kolleginnen und Unterstützerinnen werten den Entscheid als Signal gegen politische Flüchtlinge und rufen zur Solidarität auf, insbesondere im Hinblick auf das bevorstehende Verfahren vor dem Bundesgericht.
Wer ist Yıldırım?
Mehmet Murat Yıldırım arbeitete in mehreren Städten der Türkei als Reporter und Redakteur. Er wurde vor allem durch seine Berichte über Erdbebenopfer, soziale Ungleichheit und Sicherheitsfragen bekannt. In den gegen ihn verfassten Anklageschriften ging es unter anderem um seine Kritik an der Isolation von PKK-Anführer Abdullah Öcalan und um Berichte über militärischen Druck auf kurdische Zivilist*innen. Wegen dieser Beiträge wurde er mehrfach strafrechtlich verfolgt und auf sozialen Medien diffamiert. 2023 verließ er die Türkei und lebt seither in Bern, wo er sich in journalistischen Netzwerken für Geflüchtete engagiert.