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CFA

Offener Brief – CFA: Orte des Vergessens, der Isolation und der Würdelosigkeit

Neuchâtel, 19. Juni 2025
 

Wir, das selbstorganisierte Initiative Stop N Delay und die migrantische Selbstorganisation PangeaKolektif, ergreifen heute das Wort im Namen all jener, die nicht gehört, isoliert und unsichtbar gemacht werden.
 

Die Bundesasylzentren (CFA – Centres Fédéraux d’Accueil) sind für uns Symbole eines Systems struktureller Ausgrenzung und Gewalt. Abseits der Städte, fern von der Zivilgesellschaft, werden diese Orte als „humanitär“ bezeichnet – tatsächlich ähneln sie den „totalen Institutionen“, wie sie der Soziologe Erving Goffman beschrieben hat: Orte, an denen jeder Lebensaspekt kontrolliert, überwacht und die menschliche Identität ausgelöscht wird.
 

In diesen Zentren sind wir keine Menschen, sondern Akten, die verwaltet werden. Im Vordergrund stehen nicht unsere Rechte, sondern Budgets.
 

Was hier geschieht, ist keine Gastfreundschaft, sondern systematische Ausgrenzung.
 

Selbst Kinder haben keinen Zugang zur Schule, zu ausreichender Ernährung oder einem sozialen Umfeld. Es ist verboten, Joghurt mitzubringen – aber der Drogenkonsum wird stillschweigend toleriert. Was für ein Widerspruch!
 

Frauen, Familien, Menschen mit psychischen Erkrankungen – alle werden im selben Gebäude untergebracht. Traumatisierte Personen leben ohne Schutz, dem Risiko neuer Gewalt ausgesetzt. Das Personal ist oft unzureichend geschult, ohne Menschenrechtsbewusstsein, und konzentriert sich ausschließlich auf Verwaltung.
 

Währenddessen geht das Warten weiter: 1 Jahr, 2 Jahre, 5 Jahre …
Antwortlos. Ungewiss. Hoffnungslos.
Dieses Warten wird zu einem Zustand, der die Seele zersetzt.
 

Dieses System produziert eine organisierte psychologische Zerstörung.
 

Zahlreiche Zeugnisse von Menschen, die in CFA-Zentren leben oder arbeiten, zeigen deutlich: Diese Zentren heilen nicht – sie schaffen neue Traumata.
Sie dienen nicht der Aufnahme, sondern der Bestrafung.

Doch heute, bei dieser Pressekonferenz, wurde keine direkt betroffene Stimme gehört.


Die Initiative Stop N Delay, bestehend aus geflüchteten Menschen in verschiedenen CFA-Zentren und Heimen in der ganzen Schweiz, wurde nicht eingeladen, zu sprechen.
Wir empfinden das als einen großen Verlust.
Denn man kann kein Recht verteidigen ohne jene, die davon ausgeschlossen sind.
 

Wir sagen das nicht aus Groll, sondern mit Entschlossenheit:
Echter Wandel ist nur möglich, wenn die direkt Betroffenen einbezogen werden.
 

Wir sind stolz, die Gedanken unserer organisierten Gemeinschaft – sei es in Texten oder auf den Straßen – gemeinsam zum Ausdruck zu bringen.

Und heute bekräftigen wir unsere Forderungen:
 

  • Schließung aller CFA-Zentren
  • Schluss mit willkürlichen und langwierigen Wartezeiten
  • Zugang zu grundlegenden Rechten wie Bildung, Gesundheit und Wohnen
  • Würdige Lebensbedingungen für Kinder und Familien
  • Ein transparenter Dialog zwischen Institutionen, Zivilgesellschaft und Geflüchteten
     

Dieses System ist kein Schicksal.
Es kann verändert werden. Es muss verändert werden.
 

Und wir sind hier, um das zu sagen:
Wir sind keine Akten. Wir sind Menschen.
Warten ist kein Leben.
 

Nein zu den CFA-Zentren!
Ja zu einem würdigen Leben!
Nein zur Isolation!
Ja zu Gerechtigkeit, Gleichheit und Solidarität!

 

PangeaKolektif – migrantische Selbstorganisation
Stop N Delay – Initiative von Asylsuchenden in der Schweiz